Die Stadtwerkstatt und das sich ewig entwickelnde Haus

Basel, 27.4.2018 Lysbüchel Süd –
Sehr geehrte Damen und Herren

Hiermit möchten wir uns für ein Stück Lysbüchel Süd bewerben. Als Stadtwerkstatt. Mit der Idee des immer neuen Hauses, dem Haus, das nie wirklich wird. Aber – und darum geht es uns – wirklich gedacht werden kann. Auf einer ewigen Brache.

Es geht uns um ein Haus eigentlich ein Areal ohne Grund, denn der Boden ist die Idee, die gemeinsame Weiterentwicklung. Basierend auf sozialer Innovation, Nachhaltigkeit und dem Konzept der lokalen Ökonomie suchen wir Konzepte zukünftigen, innovativen Wohnens resp. Zusammenlebens in der Stadt. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten wird Wohnraum pro Person kleiner. Die Verdichtung durchdringt die Stadt und alle ihre Lebensbereiche. Im gleichen Atemzug drängen wir in die Stadt, durch-, er- und beleben sie wieder. Neue Fragen werden aktuell. Konzepte die gerade noch innovativ waren sind bald schon wieder exnovativ und vice versa.

Wir wollen nicht bauen. Denn Vision und Idee wird spätestens im Sitzungszimmer der geldgebenden Bank begraben. Und es kommt, was man sich leisten kann. Das ist verständlich. Aber weg von der Realismusmaschine, wäre die Stadtwerkstatt ein Ort, an dem das Denken um das Mögliche und neue Wege des Miteinander weiter gehen. Unser Ziel ist es, Wohnformen und deren Ausprägung immer weiter zu entwickeln. Im Dialog und Co-Kreation. Es stehen die Menschen und ihre Ideen vom Leben und Zusammenleben im Mittelpunkt. Dabei fokussieren wir auf den vier Grundfragen, die jedes Vorhaben flankieren und durchdringen: Was wollen wir? Was können wir? Was sollen wir? Was müssen wir? Die Stadtwerkstatt versteht sich als freies Entwicklungs- und Experimentierbüro. Gemeinsam decken – oder werfen wir immer neue Fragen auf, um immer weiter zu kommen. Wir kultivieren das Finden relevanter Fragen und Fragestellungen. Und fördern das Wilde Denken. Freies, ungebundenes Denken in alle Richtungen um ein reales Problem in Frage zu stellen – oder versuchen zu lösen. Ohne Planungsprozess und Bank im Rücken oder im Weg. Wir verstehen uns also als Werkstatt, die den freien Entwicklungs-, Denk- und Entstehungsprozess in den Fokus stellt – und dabei sich an realen Voraussetzungen misst.

 

Mit dem Rennrad im Sand – Wir wollen Fragen haben
Uns schwebt kein Runder Tisch vor, kein Podium. Keine Stühle auf der Bühne mit den immer gleichen Akteuren für das immer gleiche weisse, intellektuelle Publikum. Wir wollen gemeinsam, inklusiv entwickeln und ins Handeln kommen. An Hand Basels und zur Beispielsnahme internationaler Wohn- resp. Arealentwicklungsprojekte. Dabei sind auch die Anwohnerinnen des Lysbüchel Süd unsere ExpertInnen. Aber darüber hinaus arbeiten wir in Co-Kreation mit verschiedenen Akteursgruppen aus Forschung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung. Wir entwickeln gemeinsam mit der Stiftung Habitat eine neue Methode der offenen Co-kreation. Basierend auf dem uralten Kreativ-Ansatz der neu heute DesignThinking heisst basierend auf: Handeln, experimentieren, reflektieren. Weiterentwickeln…

Es ist eine wichtige Erkenntnis aus Basels, vergangenen Partizipationsveranstaltungen, dass nachhaltige, innovative und inkludierende stadtplanerische Prozesse einer besonderen Aufmerksamkeit und Vertretung bedürfen, da sie sonst allzu leicht von den rein planerischen Vorgängen an den Rand gedrängt werden. Eine Stimme wollen wir sein. Und das visionäre Wollen als Wissen zu sammeln und zugänglich zu machen. So können wir auf bereits entwickeltes und entstandenes Wissen/Visionen aufbauen.

Bevor wir aber neue Antworten finden, widmen wir uns den Fragen. Was ist noch privat? Was halbprivat? Was halböffentlich oder gar öffentlich? Brauchen wir neue, brauchen wir klare Grenzen? Warum denken wir Allmende nicht auch vertikal in die Höhe? Wie hoch ist öffentlicher Raum? Wären Dächer geeignet? Oder sind die bereits öffentlicher Park? Braucht es mehr Einfamilienhäuser? Schrebergärten? Können wir diese stapeln? Brauchen wir neue Toilettensysteme, um aus Urin Dünger zu produzieren? Wie gehen wir mit Cargobikes um? Wie mit Mobilität? Braucht jedes Viertel eine Brache? Kann man die künstlich erzeugen? Wie riecht ein Haus? Wie sollte es riechen? Reicht ein Rucksack als Büro? Wenn ja, wohin ziehen wir mit unserem Office-Rucksack? Oder braucht es Show Off Flächen? Müssen wir, wenn wir über wohnen reden, nicht auch über Arbeit reden? Sharing Economy a la AirBnB oder Nachbarschaft? Braucht es Suffizienz-Zwang? Ist die 2000er Simplify-Your-Life-Bewegung nicht ein Vorläufer? Was können wir davon lernen? Wie bekommen wir Menschen dazu, mit Freude dabei zu sein?!…

Output
Fragen, Antworten, Visionen oder Innovation entwickeln wir jedes Jahr weiter. Und verstehen das Publizieren unserer Fragen und Antworten als steten Prozess, der Nicht enden will. In diesem Sinne handelt es sich nicht um ein Projekt, da es in diesem Sinne kein Ende hat. Es ist ein begleiteter, öffentlicher und veröffentlichter Prozess. Gemeinsam mit der Stiftung Habitat möchten wir ein Format entwickeln, dass diesem Prozess Rechnung trägt und vorallem skalier- sowie übertragbar ist. Rufen wir einen Kongress ins Leben? Ein Happening? Ein Festival? Eine Buchveröffentlichung als Öffentliche Fragestellung? Publizieren wir gemeinsam? … Die Stadt steht vor grossen Herausforderungen. Vom Hafen über das Klybeckareal bis zur Verdichtung. Es ist an der Zeit, ein gemeinsames Entwicklungsbüro einzurichten, welches Lysbüchel Süd als Startpunkt sieht. Um weiter zu entwickeln. Um auch das nicht Machbare zu denken. Um sich anzunähern. Bis es vielleicht doch möglich wird.

Lysweiler – Der Ort, den es nicht gibt.

Wir haben Raum. In der Stadtwerkstatt, Schanzenstrasse 11, 4056 Basel. Nichtsdestotrotz wünschen wir uns eine Brache. Auf dem Lysbüchel Süd. Mitten in der Stadt, holen wir die Ruhe an den Ort. Pflanzen eine grosse Eiche oder Linde. Stellen eine Bank darunter, befreien den Bach (der zumindest da irgendwo in der Nähe gen Rhein fliesst), verpflanzen einen alten Holzschuppen von Baselland hierhin, bauen ihn aus und entwickeln gemeinsam mit der Stadt auf diesem Lysweiler die Stadt weiter. Auf der ewigen Brache, deren Tod die Freude eines jeden Investors und Bauherrn wäre. Deren Bestehen aber eine ewige Chance böte. In diesem Sinne möchten wir das Gespräch eröffnen. Und freuen uns auf einen positiven Bescheid.

Mit bestem Gruss Hans-Jörg Walter und Jan Knopp